Get Out (2017): Kritik – Das Bild hängt schief

© Universal Pictures

Die Idee, den Besuch bei den Schwiegereltern als Horrorfilm einzufangen, mag einen auf dem ersten Blick zum Schmunzeln bringen. Kommt man allerdings gerade aus dem neuen Psychothriller „Get Out“, betrachtet man diese Prämisse schon wieder mit ganz anderen Augen. Der vor kurzem erschienene Film von Jordan Peele ist Balsam für alle Horrorfans, die mittlerweile gelangweilt die Augen vor den nicht enden wollenden Jumpscare-Kaskaden anderer Genre-Vertreter verschließen und mehr auf einen subtilen Schocker aus sind. Ähnlich wie „It Follows“ (2014), schafft es „Get Out“ ein Gefühl des Unwohlseins zu generieren, das nicht durch plötzlich aufgedrehte laute Musik oder visuelle Brachialität hervorgerufen wird, sondern durch unangenehm wirkende, subtile Szenen, die in ihrer Essenz unsere Vorstellungen der Normalität verdrehen und auf eine Weise darstellen, die ohne viel Effekte eine bedrückende Atmosphäre erzeugen.

 

 

Eine nicht greifbare Seltsamkeit

 
Der Film startet in medias res mit einer Prämisse die schnell erzählt ist: Der Fotograf Chris und seine Freundin Rose besuchen nach fünf Monaten Beziehung das erste Mal die Eltern der Frau, welche auf einem großen alten Landsitz hausen, der sich leicht abseits der Zivilisation in einem Wald verbirgt. Es dauert nicht lange, bis Chris, der zu Beginn der Reise noch befürchtete, aufgrund seiner schwarzen Hautfarbe mit Rassismus konfrontiert zu werden, die Situation im Haus zunehmend seltsamer vorkommt. Ob sich seine Vermutungen bestätigen oder nicht stellt sich spätestens dann heraus, wenn die Ereignisse am Landsitz der Familie sich zu überschlagen drohen.
© Universal Pictures
Während „It Follows“ von einem tatsächlichen Monster handelt, ist man in „Get Out“ auf der ständigen Suche nach dem entsprechenden Pendant, welches bruchstückartig in der Obskurität einzelner Szenen angedeutet wird. Das Gefühl, dass irgendwas nicht so richtig stimmt, irgendetwas falsch ist, ist eines, das man bereits sehr früh im Film aufnimmt und an welchem man den ganzen Film über nagt. Das metaphorische schiefhängende Bild scheint in allen Szenen und Dialogen präsent zu sein. Vermeintlich normale Gespräche überzeugen durch ihre Seltsamkeit, die sich in ihrem Ursprung zwar nie wirklich greifen lässt, aber dennoch ständig präsent ist. „Get Out“ erzählt seine Geschichte zu einem großen Teil in einer erstaunlich ruhigen Erzählform, die aber gleichzeitig eine sich stetig aufbauende Unruhe bei seinem Zuschauer erzeugt und füttert. Dieses subtile Kreieren eines Horrorgefühls ohne das Benutzen von altbekannten Stilmitteln macht der Film grandios und ihn damit zu etwas Besonderem.
 

Abwechslung vom Einheitsbrei

 
Das Gefühl der Abgeschiedenheit und Isolation, das Teilen der vermeintlichen Hilflosigkeit unseres Protagonisten, der als einziger das schief hängende Bild zu erkennen scheint –  all dies sind Stilmittel die in „Get Out“ gekonnt eingesetzt werden. Das Schauspiel der Besetzung spiegelt vielleicht nicht in allen Fällen eine oscarreife Leistung wieder, aber vor allem der Hauptdarsteller Daniel Kaluuya spielt seine Rolle mit Funktion als Vermittler zwischen den von ihm erlebten bizarren Begegnungen und dem ahnungslosen Zuschauer sehr gut.

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Wer Fan des Horror- und Thrillergenres ist und auf subtilen, psychologischen Grusel steht, der sich punktuell allerdings auch mal in visuell schockierenden Szenen auslebt, ist mit „Get Out“ gut aufgehoben. Über den gesamten Film hinweg zehrt „Get Out“ an der graduellen Auflösung seines Mysteriums und erzeugt dabei einen (An)spannungsbogen der sich schließlich in Form einer, im Kontext des restlichen Films unerwarteten und neuen Facette entlädt, die dem bis zu diesem Moment aufgebauten Ton und Gruselgefühl jedoch keinen Abbruch tut. “Get Out“ ist mit ziemlicher Sicherheit einer der besseren Horrorfilme der jüngsten Zeit und alle Fans des Genres, die vom Einheitsbrei der letzten Jahre allmählich die Schnauze voll haben, sollten ihn sich auf jeden Fall ansehen; und beim nächsten Besuch der Schwiegereltern möglicherweise einen Fluchtplan für alle Fälle parat haben.

Ein Kommentar

  1. Gut auf den Punkt gebracht^^ Ich mag die "schiefe Bild"-Metapher. Anm.: Einen Jumpscare gab es aber am Anfang ;b

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