Fullmetal Alchemist: Brotherhood – Anime-Epos um Bruderliebe

Am Anfang war ich ein wenig skeptisch. Auf jeglichen Anime-Bestenlisten vertreten, bei IMDB als eine der populärsten TV-Serien aller Zeiten aufgeführt, sowohl für Kenner des Mediums als auch für Neuanfänger als Dauerempfehlung mit absoluter Zündgarantie versprochen. Bei so viel Lobpreisung lässt einen in der Regel der gesunde Menschenverstand mehr als einmal nachdenklich den Kopf kratzen. Interesse wecken diese Adelungen allemal, aber der kumulierte Hype ist, wie wir alle wissen, oftmals ein fieser Lügenbaron im Engelsgewandt. Nicht so bei Fullmetal Alchemist: Brotherhood.

 
Mehr als nur die Geschichte zweier Brüder
 

Ich war nicht nur skeptisch, es hat sogar einiges an Zeit gedauert, bis ich gänzlich mit Fullmetal Alchemist: Brotherhood warm wurde. So vergingen um die acht Folgen, in denen ich mir immer wieder nicht ganz sicher war, in welche Richtung die Serie sich zu entwickeln vermochte. FMA:B beginnt mit der Geschichte von Alphonse und Edward und ihrem Versuch, ihre beiden Körper zurück zu erlangen, nachdem sie nach einem gescheiterten Versuch ihre tote Mutter mit Alchemie wiederzubeleben, Arm und Bein und im Fall von Alphonse, den gesamten Körper verloren haben. Um das zu erreichen begeben die Beiden sich auf die Suche nach dem Stein der Weisen, jenem alchemistischen Gegenstand, mit dessen Hilfe sie das Grundprinzip des äquivalenten Tausches hoffen umgehen zu können. Doch wie ich im Laufe der Serie erfuhr, ist FMA:B mehr als nur die Geschichte von Ed und Al. Als ich begann die Serie zu verfolgen, hatte ich bei dem ein oder anderen eingeführten Sub-Plot und Charakter noch meine Zweifel, ob dieser so ganz in das Seriengefüge passen mochte. So wünschte ich mir anfangs einen noch stärkeren Fokus auf Ed und Al’s Suche nach dem Stein und befürchtete, dass ich mit dem anfänglichen Ton der Serie nicht so ganz warm werden würde, welcher trotz ernster Prämisse immer wieder drohte ins Klamaukige abzurutschen. Nicht, dass ich was gegen Comedy hätte, ganz im Gegenteil, nur bin nicht der größte Fan von der oft schmalen Gratwanderung mancher Anime zwischen todtraurigem Drama und übertrieben abgedrehtem Slapstick.

© Bones
 
Mit dem Auge für die Weitsicht
 

Aber je mehr Zeit ich der Serie gab und je mehr Entfaltung jeder einzelne Charakter erfuhr, desto besser konnte ich das große Ganze hinter Fullmetal Alchemist: Brotherhood erkennen, welches mir zu Beginn noch schwammig erschien. Der Fokus liegt überhaupt nicht auf Ed und Al. Stattdessen präsentiert der Anime eine Geschichte über Krieg und Völkermord, über die Essenz der Menschlichkeit, den Wert von Freundschaft, dem Streben nach Macht und dem Gedanken einer besseren Welt, für die es sich zu Kämpfen lohnt. Fullmetal Alchmist: Brotherhood veranschaulicht diesen Kampf, in welchem die beiden Alchemisten-Brüder stellenweise auch nur weitere Schachfiguren darstellen. Dafür bietet FMA:B die vielleicht größte Anzahl an komplexen und qualitativ hochwertig geschriebenen Nebencharakteren, die ich in einem Anime je gesehen habe (und auch ein Großteil westlicher Serien muss hier den Kürzeren ziehen). Angefangen bei simplen Geschwisterzwisten bis hin zu tragischen Hintergrundgeschichten mit anschließender ausgefeilter Charakterentwicklung bietet der Anime selbst für ihre weniger in den Mittelpunkt gerückten Charaktere so unfassbar viel Inhalt und Tragik, dass man am Ende, wenn die 64ste und damit letzte Folge in ihren Abspann überleitet, die Gedanken noch einmal rückblickend schweifen lässt, über all das, was im Laufe der Serie so passiert ist. Dazu muss man hinzufügen, dass der Anime es schafft auch mit seinem Ende einen befriedigenden Schluss zu finden, der nicht willkürlich daherkommt, sondern gekonnt auf all dem aufbaut, was bereits geschah. FMA:B ist mit dem Gedanken für die Weitsicht geschrieben worden, das merkt man der Serie durch und durch an. Fäden werden im Laufe der Serie gesponnen und Pläne getroffen – der Aufbau eines sich stetig zuspitzenden Spannungsbogen, der irgendwann seinen Höhepunkt erreicht, ist in der Serie so spürbar und deutlich wie selten und es ist eine Freude, dies mit zu verfolgen.

 
Alles Andere als monothematisch
 

Das Ganze betrifft nicht nur den übergeordneten Plot, sondern auch die Entwicklung der einzelnen, wie bereits erwähnt, unfassbar gut geschriebenen Charaktere, welche meist auf spannende Weise in den Verlauf des Seriengefüges eingefügt werden. Auch optisch ist es eine Freude die Serie zu verfolgen. Die Kämpfe sind kreativ und abwechslungsreich umgesetzt und schaffen es in den richtigen Momenten überraschend sowie episch zu wirken. Und auch die Antagonisten überzeugen, vor allem, da auch diesen, bis zu einem gewissen Grad, Charakterentwicklung oder zumindest -einsicht gestattet wird. So schaffte es beispielsweise eine bestimmte Szene mit dem Homunculus Envy mich ziemlich nachdenklich zu stimmen und das Dasein jener Geschöpfe innerhalb der Serie tatsächlich zu hinterfragen. Wie in manch anderen Anime (Tokyo Ghoul, Parasyte) ist eines der Kernthemen der Zwist zwischen dem Menschsein und dem vermeintlich Monsterartigen sowie Fremden, das Herab- oder Heraufblicken auf den jeweils anderen, der gegenseitige Kampf beider Lager sowie dem Versuch der Annäherung. Dieses, bereits sehr komplexe Thema, ist nur eines von vielen, die man aus Fullmetal Alchemist: Brotherhood ziehen kann. Abseits vom verbissenen Kampf Ed und Al’s, ihre Körper wieder zurück zu erlangen, gibt es zudem weitere Plotstränge, die sich unter anderem mit einer breit ausgetragenen Revolutionsgeschichte, der Thematik rivalisierender Völker oder auch mit philosophischen Ansätzen befassen. All das ist in Fullmetal Alchemist: Brotherhood enthalten und all das habe ich mit jeder Folge und ihrem fantastisch untermalten Soundtrack mehr und mehr lieben gelernt. So bleibt nun auch mir nichts Anderes übrig, als sich der Hype-Meute, die ich zu Beginn dieses Textes erwähnt hatte, anzuschließen. Ich weiß nun selbst, wieso diese Serie ständig empfohlen wird, und ich kann euch nur empfehlen, es mir nachzutun, und Fullmetal Alchemist: Brotherhood zu schauen.

© Bones

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