Über das Kunstwerk Spiel, die Beziehung zwischen Spiel und Spieler und wieso ich keine DLC mag

Videospieler und ihre Spiele. Die Verbindungen, die zwischen diesen beiden eingegangen werden, könnten heute vielfältiger nicht sein. Wie in einer guten Beziehung, in welcher man den Partner mit der Zeit immer mehr zu schätzen lernt und immer weniger missen möchte, spielt auch im Digitalen die investierte Zeit oftmals eine entscheidende Rolle für die jeweilige emotionale Bindung zum Produkt.

Titel mit langer Spieldauer, massig Beschäftigungsmöglichkeiten sowie den obligatorischen Höhen und Tiefen beim Spielen, schaffen es auf ihre ganz eigene Art und Weise, in unserem Gedächtnis hängen zu bleiben. Dabei werden vor allem Titel die wir durchspielen, welche uns also mit einem spiel-internen, bestätigenden Zeichen der Finalisierung belohnen, umso bereitwilliger in unserer eigenen Historie der durchlebten Videospielgeschichten abgespeichert.

Der Grund, warum ich gerade auf Spiele mit längerer Spieldauer und nicht auf kürzere, inhaltlich konzentriertere und oftmals eher aus dem Indie-Bereich stammende Titel eingehe, ist ein Phänomen, dass ich schon vor einiger Zeit an mir selbst beobachten konnte. Ein Phänomen, das vor allem in der aktuellen Hochphase von Games as a Service-Modellen dafür sorgt, dass sich mein eigener Spielgeschmack immer öfter mit dem Angebot der High-Budget Produktionen beißt. Damit ihr versteht was ich meine, erzähle ich wohl am besten ein wenig über mich und verrate euch damit auch gleich ein Geheimnis:

Irgendwo unter den Icons ist eine atmosphärische Fantasywelt versteckt, die es zu entdecken gilt

Zwischen Spielspaß und Fulltime-Job

Ich mag eigentlich gar keine langen Spiele. Beziehungsweise: ich würde sie oftmals gerne mehr mögen, aber gerade bei inhaltlich erschlagenden Monster-Rollenspielen oder Open-World-Massakern mit 100 verschiedenen Beschäftigungsmöglichkeiten pro Ingame-Quadratmeter kommt bei mir einfach oft der Punkt, an dem ich mich dem Spiel geschlagen fühle. Zum einen möchte ich nicht durchhetzen und unentdeckte Gebiete und Inhalte, deren Erleben vielleicht gerade erst dafür sorgen, mein persönliches Spielspaß-Gefühl zu maximieren, links liegen lassen. Zum anderen kommt mir das Abgrasen von jeder Ecke der Landkarte und das Erfüllen von noch 12 weiteren Nebenquests, die sich im Kern alle ähneln zu schnell wie Arbeit vor, auf die ich einfach keine Lust habe. So weit so normal denkt ihr euch jetzt bestimmt.

Trotz meiner eigentlichen Antipathie gegenüber spielzeitintensiver Spiele, gibt es jedoch ab und zu diesen einen Titel, der mich dann doch knackt. Zuletzt war es beispielsweise „The Witcher 3“ was mich massig Spielstunden in die Welt von Geralt und Co. hat stecken lassen. In seinen besten Momenten habe ich es geliebt, in seinen schwächsten die Zähne zusammengekniffen und weitergemacht, vieles, wenn auch nicht alles von der Spielwelt gesehen und die Charaktere kennen und wertschätzen gelernt.

Und dann war es irgendwann vorbei und auch ich wandte mich wieder anderen Spielen zu, den Witcher und seine Geschichte zufrieden im Gedächtnis abgespeichert. Die Monate zogen ins Land bis schließlich am 13. Oktober mit „Hearts of Stone“ die erste Erweiterung veröffentlicht wurde. Die Fanbase vom Witcher war begeistert. Und ich stand da und hätte weniger Lust auf den DLC nicht haben können.

Random Fun-Fact: Der Name dieses Ungetüms lautet im polnischen Original „Bies“, was ein Synonym von „czart“ und „czort (chort)“ ist. Dabei handelt es sich um einen Dämon der slawischen Mythologie, der seit der Christianisierung der Slawischen Nationen oftmals mit dem Teufel verbunden wird.

Das unvollendete Werk ?

Es tut mir ein wenig leid, dass es so lange gedauert hat, bis ich zum eigentlichen Thema kam, über das ich reden wollte. Das Phänomen von dem ich vorhin sprach, ist folgendes: So gut eine Spieleerweiterung laut Fachpresse und gemessen an der im Netz vernehmbaren enthusiastischen Stimmung der Spielerschaft auch ist, ich kann mich einfach nicht dazu überwinden sie zu konsumieren. Etwas in mir hält mich davon ab, ein Spiel, dass mir in seiner ursprünglichen Fassung Freude bereitete, aber mit welchem ich in gewisser Hinsicht abgeschlossen hatte, ein weiteres Mal rauszukramen um weiteren Content in einer Spielwelt zu verbringen, die ich eigentlich lieben gelernt hatte.

Ich würde nie darauf kommen, für einen zu Ende gelesenen Roman weitere Zusatzkapitel des Autors oder der Autorin Monate nach dem Erscheinen des Werks digital zu erwerben (alleine die Vorstellung klingt für mich relativ absurd). Ich würde vor einem Tarantino jeglichen Respekt verlieren, wenn er zusätzliche Szenen von „The Hateful Eight“ online nachreichen würde und diese Szenen dann auch noch elementare Bestandteile für das Worldbuilding und das Kunstwerk des ursprünglichen Films sein.

 

Virginia Woolf, gerade am Sinnieren darüber, ob Books as a Service in der Literatur eine Zukunft hat

Als jemand der Spiele als künstlerisches Medium versteht und einzelne Spiele durchaus als Kunstwerk bezeichnen würde, fällt es mir schwer, jene Produkte innerhalb dieses Maßstabs zu verorten, die sich zunehmend in zerstückelter und durch massig Zusatzinhalte ergänzter Form dem Spieler präsentieren. Ist „The Witcher 3“ das eigentliche Kunstwerk? Oder ist es erst vollständig, wenn wir beide der erschienenen DLCs ebenfalls betrachten?

Wertschätzung durch Abschluss

Was bei Online-Spielen mit Map-Erweiterungen oder Missionsupdates für mich viel leichter zu akzeptieren ist, versuche ich in Singleplayer-Spielen bis heute so gut es geht zu boykottieren. Das Spiel, dass ich im Kopf habe, wenn ich den Titel eines story-basierten Games lese, wird für mich immer das Hauptwerk, und damit das von Erweiterungen und Content-Ausdehnung durch Microtransactions verschonte Spielerlebnis sein.

Ich kann verstehen, dass vor allem aus einer ludologischen Perspektive heraus Videospieler den Drang verspüren, mit bestimmten Spielmechaniken, die sie lieb gewonnen haben, erneut zu interagieren. Ich kann verstehen, dass manche Spieler weniger Probleme damit haben, das Spielerlebnis eines Hauptspiels und das Spielerlebnis eines DLCs voneinander zu trennen.

Aber für mich selbst habe ich einfach entschieden, einen gewissen Schlussstrich, denn ich bei einem Singleplayer-Spiel mit dem einläuten der Credits für mich selbst gezogen habe auch nicht mehr zu überschreiten. Und wenn ich so recht drüber nachdenke, bin ich eigentlich ganz glücklich damit

5 Kommentare

  1. „Ich würde vor einem Tarantino jeglichen Respekt verlieren, wenn er zusätzliche Szenen von „The Hateful Eight“ online nachreichen würde“

    Deswegen gibt es vom Film ja auch 2 verschiedene Schnittfassungen. Oder jeder FIlm ever, der in mehreren Schnittfassungen existiert. Eine darf man dann im Kino sehn, die andere auf DVD/Bluray nachkaufen. Und dann nochmal eine neu editierte. Und dann doch noch eine neue Schnittfassung.

    Es gibt Begleitbücher zu Büchern. Muss man jetzt bei Harry Potter nur die 7 Bücher lesen oder doch noch so ein Quidditch-Begleitbuch? Oder „Die Märchen von Beedle dem Barden“?

    Witcher 3 ist für die Praxis außerdem ein echt mieses Beispiel, weil die DLCs und Erweiterungen wirklich gut sind und viel Inhalt liefern.

    „Aber für mich selbst habe ich einfach entschieden, einen gewissen Schlussstrich, denn ich bei einem Singleplayer-Spiel mit dem einläuten der Credits für mich selbst gezogen habe auch nicht mehr zu überschreiten.“
    Das muss wirklich jeder für sich entscheiden, aber das klingt so, als würde man jedes Spiel auch wirklich nur einmal spielen wollen. Das klingt aber sehr absolut.

    1. „Das muss wirklich jeder für sich entscheiden, aber das klingt so, als würde man jedes Spiel auch wirklich nur einmal spielen wollen.“
      Ein Spiel nochmal neu zu spielen ist für mich etwas anderes, da ich dadurch nur das ursprüngliche Erlebnis repliziere. Mir geht es aber prinzipiell um die Unterscheidung, was genau eigentlich das Spiel „The Witcher 3“ definiert. Geht es dabei nur das Hauptspiel, oder um das Hauptspiel zusätzlich jeglicher DLC? Die DLC von Witcher 3 scheinen qualitativ echt super zu sein von dem was ich gesehen habe, aber es geht mir eher drum, was ich für mich selbst als „Kanon“ sehe und was nicht. Und da muss ich eben sagen, dass es für mich bei Singleplayer-Spielen über das Hauptspiel oftmals nicht hinausgeht und das eigentliche „Kunstwerk“ als das ansehe, was zu Release gelaunched wurde.

  2. Du sprichst mir aus der Seele. Der letzte Zelda DLC ist jetzt schon seit über einem Monat draußen und soll ja sogar ganz gut sein. Trotzdem kann ich mich bei aller Liebe nicht dazu motivieren, das Teil zu kaufen oder zu spielen.
    Mir hilft es bei sowas immer, ein Spiel noch ein zweites Mal komplett von vorn zu beginnen und die DLCs im zweiten Durchlauf mitzunehmen. So fügen sie sich – im besten Fall – besser ins Gesamtgefüge ein. Im schlechtesten Fall gibt es dann halt sowas wie L.A. Noire, wo die DLCs, welche verpflichtend in die Main Story eingeschoben werden, das komplette Pacing der Haupthandlung zerstören.

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