Leidenschaft Podcasts, oder auch: Wie ich das Zuhören lieben lernte

Ich war nie der Typ, der sonderlich viel mit Musik am Hut hatte. Ja, ich kenne den Spruch, der mit „böse Menschen kennen keine Lieder“ endet, aber hoffe natürlich trotzdem, dass ich nicht Teil jener Sorte Mensch bin. Natürlich habe ich trotzdem Musik gehört. Aber es dauerte oft nicht lange, bis ich feststellte, dass ich mich meistens in Umfeldern befand, in denen andere Leute mehr Ahnung, mehr Enthusiasmus und eine größere Vielfältigkeit für diesen Aspekt der Kunst und Kultur bewiesen, als ich es tat. So war ich auch nie jemand, der zu Schulzeiten morgens früh schon mit Stöpseln im Ohr und laut aufgedrehter MP3-Playlist in Bus und Bahn saß und gelangweilt aus dem Fenster blickte. Ich habe meist einfach nur gelangweilt aus dem Fenster geblickt.

Doch dann passierte irgendwann etwas, dass auch auf meinen Hörkonsum Einfluss nahm und mich schleichend zu ebenso einer Gestalt entwickelte, die unterwegs seinen Kopfhörer aufsetzte auf ‚Play‘ drückte, und mit seinen Lieblingssoundfiles die Welt um sich herum zu vergessen vermochte. Es war keine neu entdeckte Band dich mich das machen ließ und auch keine in den Untiefen der musikalischen Diversität herausgekramte und mir bis Dato unbekannte Musikrichtung: Es waren Podcasts.


Dawn of Podcasts
 

Podcasts gibt es jetzt eigentlich schon eine ganze Weile und schaut man sich die Entwicklung des Mediums an, wird einem klar, welchen merkwürdigen Verlauf die Popularität der frei zugänglichen Audiotalks im Laufe der Jahre genommen hat. Obwohl bereits im Jahr 2005 im Umlauf und zur damaligen Blütezeit eng verknüpft mit Apple’s iPod, verschwand das Podcasting für einige Jahre mehr oder weniger in der Nische, nur um in den letzten paar Jahren einen geradezu raketenartigen Aufschwung zu erleben. Heutzutage scheint beinahe jeder, der in den Medien irgendwas zu tun hat, einen eigenen Podcast zu besitzen. Dabei helfen Finanzierungsplattform wie Patreon den Machern dabei, die in 99% aller Fälle kostenlos angebotenen Shows mit monetären Mitteln zu refinanzieren. Manche verdienen mit genannten Plattformen sogar bereits so viel, dass sie davon auch tatsächlich ihren Lebensunterhalt bezahlen können (aber dazu, zu einem anderen Zeitpunkt mehr).

Podcasts entwickelten sich für mich im Laufe der letzten Jahre zu einem Medium, mit dem ich viel Persönliches verbinde, an dem ich eine Menge Freude empfinde und das in meinen Augen die perfekte Wage zwischen simpel gehaltenem Stil und einer schier endlos langen Reihe an kreativen Möglichkeiten bereithält. Deswegen möchte ich euch mit dieser Serie einen Einblick in die Podcastwelt geben, wie ich sie empfinde. Welche Casts mein Hörempfinden geprägt haben und was ich auch heute noch empfehlen kann und höre. Den Anfang macht die Person, die mich mit ihrer Arbeit das erste Mal in meinem Leben frische Podcastluft schnuppern lies und damit meine Leidenschaft für das Medium entfachte – Gregor Kartsios mit seinem „GameOne-Plauschangriff“.


Die Audio-Entjungferung
 

Am 4. Juni 2009 wurde auf GameOne.de die erste Folge des Cast‘s mit dem Thema „E3 2009“ veröffentlicht welche für mich den Grundbaustein für mein Podcast-Interesse bildete, dass sich in den kommenden Jahren noch vertiefen sollte. Für viele, viele Jahre war der Plauschangriff für mich eine Konstante, was qualitative Unterhaltung aus dem Nerdkosmos anging. Die Besetzungen waren vielfältig und interessant, das Fachwissen bewunderte mich immer wieder aufs Neue und prägte mein Interesse der Weiterbildung des eigenen Nerdwissens. Der Humor und die Lockerheit der Beteiligten zauberte mir Folge für Folge ein Lächeln auf das Gesicht oder verschaffte mir sogar schallende Lachanfälle. Noch heute gibt es einzelne alte Folgen, die ich immer wieder gerne höre, da sie mir ein rosiges Gefühl von Verbundenheit mit den Sprechern und die perfekte Mischung aus Faktenwissen, Anekdoten und Unterhaltung vermitteln. Ob Tom Cruise, die jährlichen E3- oder Gamescom-Casts oder das akribische Abarbeiten der Vergangenheiten einzelner Videospielplattformen – das Themenspektrum der Podcasts war stets über alle Maßen vielfältig und hatte für jede Kategorie Nerd etwas parat. Auch die Neuauflage des Plauschangriffes ist empfehlenswert und widmet sich ihren Themen in derselben liebevollen und detailreichen Art, wie es zu GameOne-Zeiten der Fall war. Und wenn ich von „widmet sich“ spreche, meine ich damit an vorderster Stelle natürlich Gregor, als Urheber des Podcast‘s. Somit gibt es auch nur ein Wort, dass sich dafür eignet, um diesen Sermon von mir adäquat zu beenden und damit gleichzeitig dem Mann zu ehren, der sich all die Jahre für das Podcast-Projekt den Arsch aufgerissen hat. Und dieses Wort lautet: Danke.

In der Zeit, in der ich eifrig den Plauschangriff hörte, war mein Podcast-Horizont zugegebenermaßen noch recht eingeschränkt. Irgendwann, und ich kann leider nicht mehr genau sagen, wann dies der Fall war, kam allerdings ein zweiter Cast, den ich regelmäßig hörte, hinzu, an dem ich über die Jahre hinweg ebenfalls festhalten sollte. Heute wie damals überzeugte die Show der beiden Entertainer Olli Schulz und Jan Böhmermann durch ihren anarchischen Stil. Damals noch als Sanft und Sorgfältig (RadioEins) betitelt, heute bekannt als Fest und Flauschig (Spotify), dauerte es nicht lange bis ich die sympathischen Laberrunden der beiden Hosts ins Herz schloss.

 
Ein Duo kommt selten allein
 

Festgeschriebene Themen gibt es bei Fest und Flauschig im Grunde nicht, es wird geschnackt, wie den beiden der Schnabel gewachsen ist. Dabei stets ausgestattet mit scharfer Zunge und einem ebenso scharfen Verstand. Was gerade in der Welt so vor sich geht, wird von den beiden meist komödiantisch aufgearbeitet und mit persönlichen Geschichten ausgeschmückt, die oft zwischen „frei erfunden“ und „irgendwie doch mit einem Hauch von Ernsthaftigkeit versehen“ entlangbalancieren. Dass die Zusammenarbeit der beiden nach all den Jahren immer noch problemlos von statten läuft, beweist, dass Böhmermann und Schulz, obwohl beide für sich genommen, vielleicht nicht die einfachsten Typen sind, ein perfektes Team bilden und sich passend ergänzen. Obwohl Ironie und Übertriebenheit hier oft das Gebot der Stunde sind, empfindet man wie sonst bei kaum einem klassischen Fernseh- oder Radiotalk ein extremes Gefühl von Authentizität, Ehrlichkeit und Menschlichkeit. Die beiden sind keine leeren Moderationshüllen, sondern vermitteln klipp und klar ihre Meinungen zu allen möglichen Themen und scheuen auch vor Konfrontation und möglichen Konsequenzen nicht zurück. So höre ich auch heute noch mit Gusto jede Folge und genieße den Plausch der beiden und den oft augenöffnenden und selbstbestätigenden Blick der Zwei auf die Ereignisse unserer Welt.

Zu guter Letzt (weitere Artikel zum Thema werden definitiv folgen, denn gerade jetzt beim Schreiben wird mir bewusst, wie viele Podcasts es noch verdienen genannt zu werden) möchte ich mich noch zwei weiteren Podcast widmen, die seit jeher einen wichtigen Platz in meinem Podcatcher einnehmen. Zum einen dem Happyday-Podcast und zum anderen dem Filmpodcast Celluleute. Konstante von beiden: Podcaster und Künstler Philipp Jordan. Ich muss zugeben, dass ich den Happyday-Podcast(bestehende aus Philipp und dem Musiker Roman Richter) für eine lange Zeit in meinem Podcatcher hatte und stets an ihm vorbei gescrollt habe. „Das hörst du bald mal an“, war mein ständiges Argument, wenn ich mal wieder am Logo der beiden vorbeiklickte und mir ein ums andere Mal aufschob, endlich mal reinzuschnuppern. Irgendwann tat ich es dann doch und, Mensch – war ich im ersten Moment Baff. Zwar wusste ich, dass der Cast wohl Not Safe For Work war, jedoch hatte ich in meinem gesamten Leben noch nie zwei Menschen in einer derart versauten und expliziten Art und Weise miteinander beim Reden über „Erwachsenenthemen“ zugehört, und dabei würde ich definitiv nicht behaupten, verklemmt zu sein.

Aber ich blieb dran. Und hörte weiter. Und weiter. Und schließlich noch eine Folge. Und noch eine. Und mit jeder weiteren Minute, wusste ich die beiden immer mehr zu schätzen. Wieso? Weil man, wenn man sich mal durch die primäre, möglicherweise abschreckende, versaute Schicht der Gespräche gewühlt hat, auf zwei Menschen stößt, die beide auf so unterschiedliche Weisen interessante Dinge zu erzählen haben. Beim Happyday-Podcast hat man es auf keinen Fall mit Deppen zu tun, sondern mit zwei sehr intellektuellen, nachdenklichen und kreativen Jungs, die einem mit dem Füllhorn ihrer persönlichen Stories einen intimen Einblick in ihr Leben ermöglichen, wie man ihn von Menschen in der Öffentlichkeit sonst nie bekommt. Das Ganze hat manchmal den Anschein einer Real-Doku, einem Langzeitprojekt der biografischen Selbstaufnahme, bei welcher der Zuschauer die jeweiligen Höhen und Tiefen im Leben der jeweiligen Personen in ungeschönten realen Geschichten präsentiert bekommt. Ja, die beiden sind geschmacklich vielleicht oftmals unter der Gürtellinie, aber auch diese Gespräche über Geschlechtsverkehr, Peniskatheter oder kriminelle Geschichten kommentieren Philipp und Roman auf eine so ehrliche und einzigartige Art, sodass man in vielen Fällen, so unglaubhaft das vielleicht auch klingen mag, noch was fürs Leben mitnehmen kann. Auch sind die gelegentlichen musikalischen Einspieler von Roman eine große Aufwertung für den Cast und auch die Titelmelodie von ihm hat bestimmt nicht gerade wenig Mitschuld an der Popularität des Cast.

 
Vier Fäuste für ein Celluleute
 

Zu guter Letzt möchte ich noch kurz auf den Celluleute-Casteingehen, dessen alten Folgen ich zwar deutlich mehr gehört habe, dem ich aber heute wie damals den gleichen Respekt zolle. Philipp, Carsten, Khalil und Memo waren DAS Filmpodcast-Team Deutschlands, weswegen der Fortgang der letzten beiden mich tatsächlich ein klein wenig traurig gemacht hat. Die Vier deckten mit ihren unterschiedlichen Geschmäckern ein unfassbar breites Spektrum der globalen Filmlandschaft ab und haben meinen Geschmack, neben den kinobezogenen Plauschangriffen, mit am meisten geprägt. Nicht selten, stieß ich auf moderne wie historische Klassiker einzig und allein durch die Nennung im Celluleute-Cast und vor allem die themenspezifischen Ausgaben boten eine solche Fülle an Titeln, dass ich noch heute dabei bin, einzelne Listen abzuarbeiten. Einen besonderen Eindruck hinterließ bei mir unter anderem die Expertise von Memo, die meiner Meinung nach seines Gleichen sucht. Die Verknüpfung der Filmhistorik einzelner Länder mit den entsprechenden kulturellen oder politischen Gegebenheiten, welche die Entstehung bestimmter Filme bedingten, beeindruckte mich oft sehr und zeigte mir, dass man sich mit dem Thema Film auch tiefergehend, auf einer kulturwissenschaftlichen und weitergehend-analytischen Ebene auseinandersetzen kann, vielleicht sogar muss.

So. Das war’s fürs Erste. Ich bin mir sicher, dass weitere (auf jeden Fall mindestens eine) Ausgaben dieser Reihe folgen werden, da es noch weitere Casts gibt, denen ich hier meinen Respekt zollen möchte. Mit diesem Text wären die für mich prägendsten Podcasts allerdings abgedeckt. Schreibt mir gerne in die Kommentare, was ihr von Podcasts haltet, ob ihr selbst welche hört, welche euch geprägt haben, und welche ihr empfehlen könnt. Auf eure Nennungen bin ich sehr gespannt. Und falls ihr euch nun tatsächlich durch diese Wall-of-Text gekämpft und nicht nur schnell ans Ende gescrollt habt: Vielen Dank fürs Lesen!

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