Anime-Roundup #1 – FLCL, My Hero Academia, Attack on Titan S2, Mob Psycho 100

Falls es Menschen geben sollte, die sich das Ziel setzen, das jährlich anfallende Kontingent der japanweiten Anime-Produktionen in seiner Fülle zu konsumieren, so werden diese höchstwahrscheinlich in Probleme geraten. Vor allem wenn sie planen, in ihrer Freizeit auch noch andere Dinge zu unternehmen. Jahr für Jahr werden immer mehr der japanischen Animationsserien produziert, währenddes jedoch die Kapazität der einzelnen Studios sowie die Bezahlung der Animatoren stagniert und für immer schwierigere Produktionsbedingungen führt.

So starteten alleine im Jahr 2015, 233 neue Anime, und sieht man sich den Verlauf der letzten Jahre an, scheint die Tendenz weiter steigend zu sein. Nun muss natürlich gesagt werden, dass bei einer so hohen Quantität, der tatsächlichen Qualität der einzelnen Serien besondere Beachtung geschenkt werden muss. Betrachtet man sich selbst zusätzlich noch als recht wählerischen Anime-Konsumenten, dann bleiben in der Regel am Ende des Jahres nicht sonderlich viele Produktionen übrig, die man sich zu Gemüte führen möchte.

Quelle: http://aja.gr.jp/english/japan-anime-data

Die Art und Weise, in der ich Anime schaue, ähnelt denke ich ein wenig dem Fahrplan, mit dem mäßig motivierte Menschen Sport betreiben. Ab und zu gibt es bestimmte Phasen, in denen ich mit Elan alles aufholen möchte, dass ich laut diverser Meinungen des Netzes oder von Freunden verpasst habe, gefolgt von mehr oder weniger langen Dürreperioden, in denen mein einziger Gedanke zum Thema Anime die permanente Frage ist, wie viele Folgen „One Piece“ ich mittlerweile aufholen müsste, um wieder up-to-date zu sein.

In den letzten Monaten habe ich mich (für meine Verhältnisse) mit relativ vielen Anime beschäftigt und diese mit Gusto durchgeschaut. Über diese möchte ich im Folgenden kurz sprechen und jeweils erklären, wieso sie es mir angetan haben. Den Anfang macht dabei die zweite Staffel einer vielerorts heiß erwarteten Serie, dessen Popularität unter Anime-Guckern beinahe schon als Phänomen bezeichnet werden kann.

Zeichner: Hajime Isayama / Studio: WIT Studio

Attack on Titan/Shingeki No Kyojin Season 2 (2017)

Was haben wir alle gewartet! Ganze vier Jahre mussten Fans der mittlerweile zur Kult-Serie avancierten Geschichte rund um Eren Jäger und dem Kampf der Menschheit gegen die monsterhaften, menschenfressenden Titanen nun auf die zweite Staffel warten. Die TV-Adaption des Mangas von Hajime Isayama überzeugte mich damals vor allem durch ihre bedrohliche und düstere Welt, die in ihrer Kompromisslosigkeit Erinnerungen an „Game of Thrones“ wachrief. Die Story ist schnell erzählt und passt in ihrer Essenz auf einen Bierdeckel, schafft es aber mit ihrer spannenden und mysteriösen Ausgangslage dem Zuschauer dauerhaft einen interessanten Köder vorzuhalten, der zum weiterschauen animiert. Man fiebert konsequent mit den Figuren mit, da man weiß, dass niemand sicher ist, und möchte gleichzeitig Stück für Stück immer mehr der Geheimnisse der Show lüften.

Staffel Zwei setz nun nahtlos dort an, wo letztere mit einem Cliffhanger endete, besteht jedoch im Gegensatz zur 25-Folgen starken ersten Staffel lediglich aus 12 neuen Episoden. Was hier direkt auffällt, ist das hohe Niveau der Animationen, welches schon vor vier Jahren beeindruckend war und auch jetzt Maßstäbe für Anime im Jahr 2017 setzt.

Nach der storymäßig eher einleitenden und Exposition betreibenden ersten Staffel liefert die neue tatsächlich auch ein paar Antworten und erste Auflösungen, jedoch nicht ohne erneut ein Dutzend weiterer Fragen in den Raum zu stellen. Ganz heißer Kandidat für den kryptischsten Beitrag im Jahr 2017 im Bereich Anime ist zudem das Outro, welches die in der Serie bisher wenig erzählte Hintergrundgeschichte in einem Zusammenschnitt aus ominösen Bildern und Wandmalereien nachzuerzählen scheint, ohne jedoch so explizit zu werden, als dass man als bis dato noch unwissender Seriengucker Spoiler befürchten müsste.

Dennoch findet man zahllose Analysen im Netz, in denen Manga-Leser mit Vorwissen diesen Clip zu deuten versuchen und dabei zu Erkenntnissen gelangen, die selbst für sie mögliche Andeutungen für zukünftige Ereignisse beinhalten. Allein aufgrund der Existenz dieses neu etablierten Mythos und der seltsam faszinierenden Obskurität dieses Endings, wurde mir abermals bewusst, was es ist, dass ich an dieser Serie so mag. Ich bin vernarrt in genau solch eine Form der geheimnisvollen Geschichtserzählung und „Attack on Titan“ meistert diese erstklassig. Weiterhin. Ich freue mich bereits auf die dritte Staffel, die bereits im Frühjahr 2018 an den Start gehen wird.

Zeichner: ONE / Studio: Bones

100 Mob Psycho/ Mobu Saiko 100 – Staffel 1 (2016)

Dem ein oder anderen mag vielleicht der Anime „One Punch Man“ bekannt sein, der 2015 vor allem unter westlichen Fans für einen gewissen Hype sorgte. „Mob Psycho 100“, welcher ebenfalls auf einer Geschichte des Mangakas ONE basiert und ein Jahr später erschien, erreichte zwar nicht den gleichen Hype wie der glatzköpfige Superheld mit der ausdruckslosen Miene, schaffte es jedoch mich persönlich mehr zur unterhalten und einen stärkeren Eindruck zu hinterlassen.

Im Mittelpunkt steht der Schüler Shigeo, der mit übernatürlichen psychischen Kräften ausgestattet ist und dabei dem Schwindler und selbsternannten Geisteraustreiber Arataka unter die Arme greift. Den Kniff in der Erzählung stellt dabei Shigeos emotionales Level dar, welches durch die Ereignisse innerhalb der Serie kontinuierlich steigt und das sich beim Erreichen der 100-Prozent-Marke in der Form von übersteigerter, zerstörerischer Kraft entlädt.

„Mob Psycho 100“ überzeugt mit abgedrehtem Humor und schrulligen Charakteren sowie einem sympathischen Protagonisten, dessen grundlegende Idee erfrischend und neu ist. Gerade die dramatischen inneren Zwiespälte, in die Shigeo gesteckt wird, funktionieren in den entscheidenden Momenten auch trotz des überwiegend abgedrehten und komödiantischen Tons der Serie richtig, richtig gut.

Der Animationstil mag vielleicht für den ein oder anderen gewöhnungsbedürftig sein, holt jedoch spätestens in den actiongeladenen erzählerischen Höhepunkten der Serie alles aus sich raus. Wer Lust auf einen kurzweiligen, extrem lustigen, schön animierten und mit coolen Actionszenen gespickten Anime hat, dem kann ich „Mob Psycho 100“ nur wärmstens ans Herz legen.

Studio: Gainax

FLCL/Furikuri (2000-2001) – Staffel 1

Wie beschreibt man Furikuri am besten? Das ist wohl der erste Frage die man sich stellt, macht man es sich zur Aufgabe, nach dem Schauen der gerade einmal sechs Folgen einen Text über diese kurze aber inhaltlich dicht bepackte Serie aus den frühen 2000ern zu schreiben. FLCL ist nicht weniger als die durchgeknallteste, abgefahrenste und wahnsinnigste Anime-Serie, der mir in meinem Leben je unter gekommen ist. Die Bandbreite der unkonventionellen Ideen die in FLCL umgesetzt werden ist der Wahnsinn und beinhaltet mitunter Dinge, die ich in noch keinem anderen Anime in dieser Form erlebt habe.

Stellenweise wirkt Furikuri wie ein abstruses Kunstprojekt, denn auch die Geschichte, die der Anime erzählt, kommt oftmals nur sehr kryptisch rüber und wird eher durch die ausdrucksstarken Bilder versucht zu vermitteln, die die Serie zu bieten hat. Der Ton sowie das Tempo der Serie versprühen dabei beinahe schon einen Drogentrip-mäßigen Charakter, bei dem ein „WTF“-Moment den nächsten jagt. Untermalt wird das Ganze mit der Musik der japanischen Alternative Rock Band „The Pillows“. Statt mit unaufdringlichen Klängen die Atmosphäre des Anime zu unterstreichen, wie es sonst oft der Fall ist, rücken die poppig, rockigen Stücke von Furikuri oftmals in den Vordergrund und beanspruchen ganze Szenen für sich.

In diesem Fall sehe ich keinen besonderen Sinn darin, den Versuch zu wagen, die Story von FLCL in Kürze zu schildern. Der Anime lebt von seiner Bildgewalt und den individuellen Deutungsansätzen und wird seine potentielle Zuschauerschaft viel mehr durch die eigene Neugier über diesen einzigartigen Trip gewinnen, anstatt durch eine kongruente, in ein einziges Genre einordbare Geschichte. Denn genau das ist der springende Punkt bei Furikuri, es lässt sich nicht einordnen. Es ist Slice of Life, Mecha, Liebesgeschichte und durchgedrehtes Kunstprojekt in einem und wird dadurch zu etwas Einzigartigem und Besonderem.

Und nun, 17 Jahre nach dem Erscheinen der ersten, von Studio Gainax produzierten Staffel, dem Studio, welches Mitte der Neunziger auch mit „Neon Genesis Evangelion“ Maßstäbe setzte, befinden sich tatsächlich zwei weitere Staffeln in der Produktion. Was viele Fans freuen wird: Die „Pillows“ sind auch wieder an Bord. Ich bin auf jeden Fall gespannt, ob Furikuri es auch 17 Jahre später noch schaffen kann, mit dem gleichen ausdrucksstarken audiovisuellen Sog aus Bildern und Klängen zu überzeugen, wie damals mit Staffel 1.

Zeichner: Kōhei Horikoshi / Studio: Bones

My Hero Academia/Boku no Hīrō Akademia (seit 2016) Staffel 1+2

Und damit sind wir schon beim letzten Anime im Bunde, dessen zweite Staffel sich gerade in den letzten Zügen der Veröffentlichung befindet, wodurch sich ein Zwischenfazit der bisherigen Folgen anbietet. Die Rede ist von „My Hero Academia“, einem Anime, dem ich, bevor ich seinem Glanz verfallen bin, ein wenig skeptisch gegenüberstand. Ich bin nicht der allergrößte Superhelden-Fan und die sichtbare Anbiederung des Anime gegenüber westlichen, von X-Men und Co. geprägten Heldenvorlieben lies mich glauben, dass mich hier eine durchschnittliche Fantasy-Highschool Geschichte erwarten würde.

Jedoch ist „My Hero Academia“ viel mehr als das. Sicher, die westlichen Einflüsse sind nicht von der Hand zu weisen, jedoch schafft es der Anime gerade in Puncto Charaktere mehr als Durchschnitt zu sein. Auch der Aufbau der einzelnen Arcs ist fantastisch gelungen und bietet jedes Mal aufs Neue passende und zum Mitfiebern anregende Höhepunkte.

Dreh und Angelpunkt der Geschichte ist der Schüler Midoriya, der in einer Welt, in der 80% der Bevölkerung mit Superkräften ausgestattet ist, als Normalo geboren wurde. Tragisch, denn der junge Midoriya ist ein glühender Fan des Superheldenkults und zudem vernarrt in die globale Nr. 1: den mächtigen Helden All Might. Durch eine Verkettung von Ereignissen wird Midoriya zu Beginn der Geschichte jedoch selbst Träger einer Superkraft und durchläuft fortan an der Helden-Oberschule „U.A. High School“ die verschiedenen Phasen eines heranwachsenden Helden, doch neben den Problemen der eigenen Ausbildung, bleiben auch die Schurken der Welt nicht untätig.

Die Prämisse von „My Hero Academia“ ist eine wirklich interessante, die in ihrer Außerzählung viel Spannendes zum World Building und damit zum Immersionseffekt innerhalb der Serie beiträgt. Die Fragen, die man sich selbst zu einer Welt, in der 80% der Menschen mit übernatürlichen Kräften ausgestattet sind, als Zuschauer eventuell stellt, werden in „My Hero Academia“ nicht etwas geschickt umschifft, sondern explizit zum Thema gemacht. Wie sieht es aus mit dem Heldenkult, wie hat sich ein Held zu präsentieren? Welche Rechten und Pflichten haben Helden in ihrer alltäglichen Arbeit, welche Positionen bekleiden sie im öffentlichen Dienst? Wer profitiert von diesem Geschäft, wie funktioniert die über das Land verteilte Akquirierung und Distribution von Helden?

Das Figurenkabinett (wir begleiten stets die Klasse von Midoriya) ist dabei vielschichtig, nicht nur was die Varianz der unterschiedlichen Kräfte angeht, sondern auch bezüglich der jeweiligen Tragödien und Hintergrundgeschichten. Ein besonderes Lob muss zudem noch für die Dramatik und Epik ausgesprochen werden, mit der die Kämpfe inszeniert werden, sowie für den phänomenalen Soundtrack, der stellenweise die Bezeichnung „episch“ so treffend mit seinen temporeichen Tönen in ein greifbares Gefühl der absoluten ehrfürchtigen Begeisterung umwandelt, wie ich es bisher nicht erlebt habe.

All diese Serien, die ich hier präsentiert habe, seien euch sehr ans Herz gelegt, falls ihr sie nicht ohnehin schon gesehen haben solltet. Wenn ihr bis hierhin gelesen habt, dann gibt es von meiner Stelle aus nur noch ein Wort, dass ich euch auf dem Weg geben möchte: Danke.

Ein Kommentar

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert